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Zuviel des Guten – Weshalb Verwöhnung den Kindern schadet

Zuviel des Guten – Weshalb Verwöhnung den Kindern schadet

Dass Eltern das Beste für ihre Kinder wollen, ist unbestritten. In manchen Fällen ist das Beste aber schädlich, nämlich dann, wenn es darum geht, den Kindern sämtliche Steine aus dem Weg zu entfernen oder ihnen alles gleich zu ermöglichen. Kinder und Jugendliche, welche verwöhnt und überbehütet aufwachsen, zeigen wenig Ausdauer, Frusttoleranz und Sozialkompetenz. Sie sind abhängig von anderen Menschen und kommen schlecht mit herausfordernden Situationen klar.

Die Dosis macht das Gift

Jemanden mit einer Freude zu überraschen und zu „verwöhnen“, ist absolut kein Problem. Es bleibt aber nur dann ein Genuss und etwas Spezielles, wenn es nicht zur Gewohnheit wird. Alles Andere wird zur Normalität und des Guten zuviel. Man erkennt dies durch die Erwartungshaltung, die entsteht, wenn die „Verwöhnung“ ausbleibt. Was gut gemeint war, wird plötzlich schädlich.

Kennt Ihr das sicherste Mittel, ein Kind unglücklich zu machen? Ihr müsst es daran gewöhnen, alles zu erhalten. Sein Verlangen wächst unaufhörlich. (J.-J. Rousseau in Emile oder über die Erziehung)

Liebe statt Verwöhnung

Liebe und Nähe sind die Basis für jeden weiteren Entwicklungsschritt und es ist ganz wesentlich, dass Liebe immer bedingungslos ist. Mit Liebe ist nicht nur Zuwendung gemeint, sondern auch Zutrauen und Verständnis zu zeigen, dem Kind sein eigenes Tempo zu gewähren und liebevoll Grenzen zu setzen, wo es nötig ist.
Verwöhnung wird oft mit Liebe verwechselt. Kindern alles zu geben, zu kaufen, zu ermöglichen oder abzunehmen ist keine Liebe. Es fördert nicht nur Konsum- und Suchtverhalten, sondern hemmt die Entwicklung der Selbstregulierungsfunktionen (Frusttoleranz, Belohnungsaufschub, Impulskontrolle). Diese Funktionen sind nicht angeboren, sondern müssen im Erziehungsalltag trainiert werden, damit die entsprechenden neuronalen Vernetzungen im Frontallappen des Gehirns gebildet werden können.

Dabei geht es nicht um Strenge, sondern um liebevolles Zutrauen. Für das Kind wirkt es ermutigend, wenn es sieht, dass ich ihm etwas zutraue – oder eben entmutigend, wenn ich ihm alle Steine aus dem Weg nehme. Wenn ich in all den Punkten nachgebe, weil ich das mit Strenge gleichsetze  oder, weil ich nicht die Nerven habe, dieses „Üben“ auszuhalten, dann entmutige ich mein Kind und beraube es wertvoller Erfahrungen. Die Abhängigkeit und erlernte Hilflosigkeit führen dazu, dass Kinder in herausfordernden Lebenssituationen nicht handlungsfähig sind, keine Lösungen entwickeln können, schnell aufgeben, weil sie nicht an sich glauben.

Wer die Lebenslaufbahn seiner Kinder zu verpfuschen gedenkt, der räume ihnen alle Hindernisse weg. (Emil Oesch)

Formen von Verwöhnung (nach Jürg Frick)

  • Ein Übermass an Besorgnis
  • Ein Übermass an Hilfsbereitschaft
  • Ein Übermass an Entlastung
  • Ein Übermass an Geschenken, Geld, Spielsachen
  • Ein Mangel an Zutrauen, Ermutigung
  • Ein Mangel an Zuversicht
  • Ein Mangel an Forderung: Ausdauer, Anpacken, Durchhalten, Ausprobieren
  • Ein Mangel an freundlicher Grenzsetzung

Gründe für Verwöhnung

  • Verwöhne ich, weil ich keine Konflikte und Diskussionen mit meinem Kind haben mag?
  • Verwöhne ich, weil ich möchte, dass mein Kind mich liebt?
  • Verwöhne ich, weil ich möchte, dass mein Kind es besser haben soll, als ich es in der Kindheit hatte?
  • Verwöhne ich, weil ich nicht möchte, dass mein Kind ausgegrenzt wird, wenn es nicht die Dinge kriegt, die momentan im Trend sind?
  • Verwöhne ich, weil ich Angst habe, dass mein Kind schlechte Erfahrungen macht?
  • Verwöhne ich, weil ich berufsbedingt wenig Zeit für mein Kind habe und das ausgleichen und wieder gut machen möchte?
  • Verwöhne ich mein Kind, weil ich gerne gebraucht werde?

Folgen von Verwöhnung

  • Entmutigung und schnelles Aufgeben
  • fehlendes Selbstvertrauen
  • fehlende Selbstwirksamkeit und Selbstständigkeit
  • fehlende Frusttoleranz und Impulskontrolle
  • fehlender Belohnungsaufschub
  • fehlende Ausdauer
  • fehlende Resilienz
  • Abhängigkeit von anderen
  • erlernte Hilflosigkeit
  • erhöhtes Konsum- und Suchtverhalten

Dem Kind etwas zutrauen

  • indem Kinder lernen, selber Konflikte zu lösen, Kompromisse eingehen und auch mal für sich selber einstehen
  • indem Kinder nicht gleich sofort alles kriegen
  • indem Kinder lernen, sich an gemeinsam erstellte Regeln zu halten (oder Folgen erleben)
  • indem Kinder auf ein Geschenk bis zum Geburtstag warten
  • indem Kinder auf etwas hinsparen
  • indem Kinder auch mal ein Spiel verlieren
  • indem Kinder den Schulweg zu Fuss gehen und nicht hingebracht werden
  • indem Kinder Wahlmöglichkeiten erhalten
  • indem Kinder zu Lösungen beitragen dürfen
  • indem Kinder in der Gemeinschaft mithelfen
  • indem wir nicht Dinge für die Kinder tun, die sie (schon) selber können
  • indem wir Hilfe zur Selbsthilfe anbieten und nicht gleich alles für unsere Kinder lösen

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Verwöhnung und Überbehütung haben viele Gemeinsamkeiten – beides geschieht aus einer Vielfalt von Gründen und hat erheblich mit der eigenen Geschichte der Eltern zu tun. Dies zu reflektieren lohnt sich, denn Kinder brauchen nicht nur Wurzeln, sondern auch Flügel. Verwöhnung macht sie flugunfähig und lebensuntüchtig. Dabei bezahlen Eltern oftmals einen sehr hohen Preis: Sie verzichten auf alles mögliche, damit ihre Kinder nicht verzichten müssen.
Allerdings täte vielen Eltern etwas Selbstfürsorge (gelegentliche „Verwöhnung“) nicht schlecht, da sie sich sonst immer am Limit bewegen.

Quellenangaben und weiterführende Links

Bildquelle Mädchen mit Krone: (c)Syda Production/fotolia.com
Bildquelle Curling: (c)flytime/fotolia.com

Jürg Frick: Die Droge Verwöhnung – Beispiele, Folgen, Alternativen, Hogrefe Verlag, 2018, 5. Auflage
Joachim Bauer: Selbststeuerung – Die Wiederentdeckung des freien Willens, Karl Blessing Verlag, 2015
Christelle Schläpfer: Consequences of pampering, overprotection and neglect in children’s upbringing, 2016 UK Adlerian Year Book – A Collection of Topical Essays, London

Letzte Aktualisierung: 28.11.2018