Social Media – Gefahr oder Chance für Jugendliche?
Gastbeitrag von April Wynter
Du kennst bestimmt die Situation, wenn man mit der Familie am Abendbrottisch sitzt und das Kind ständig ermahnen muss, das Handy wegzulegen. Oder wenn das Kind seinen Nachmittag durch die sozialen Netzwerke scrollend verbringt, statt etwas mit Freunden zu unternehmen. Die wirkliche Gefahr der sozialen Netzwerke liegt aber nicht nur beim zeitlichen Faktor der Nutzung, sondern auch beim Wie.
Ich selbst gehöre der Generation Y an, war 9 Jahre jung, als ich das erste Tastenhandy bekam, um meine Eltern informieren zu können, wenn ich mich mit dem Pferd im Wald verirrt hätte. Demnach habe ich die Social Media Welt in vollem Umfang mitbekommen. Ich kenne noch die Zeit, in der man sich mit teuren Kleidungsstücken gegenüber den Mitschülern profilieren musste und der größte Klatsch über die nächste Bravo verteilt wurde. Aber ich kenne auch die Zeit, in der man keine Zeitschrift mehr brauchte, weil ein jeder ein Star werden konnte. In der man zu Hause ankam und die schulfreie Schutzzone nicht mehr existierte und die Selbstdarstellung im virtuellen Raum zunahm.
Social Media war ein Fluch für mich – aber auch ein Segen, immerhin arbeite ich inzwischen beruflich in der Social Media Welt und habe auch als Jugendliche Dank sozialer Netzwerke mein Taschengeld aufbessern können. Auch heute habe ich regelmäßig mit jungen Menschen zu tun, die Mithilfe von Social Media ihre Träume leben können. Träume, die aber auch schnell zu Albträumen werden können.
Wann ist Social Media etwas Gutes für Jugendliche und wann wird es zur Gefahr?
Das perfekte (Schein-)Leben
In meinem Jugendroman Nach oben führt auch ein Weg hinab träumt die 18-jährige Maddy davon, Influencerin zu werden. Das sind die Menschen, die in den sozialen Netzwerken besonders berühmt sind und deshalb anderen Leuten Dinge verkaufen können. Klingt nicht gerade nach einem Traumberuf, oder? Realistisch betrachtet nicht, aber für viele Jugendliche ist es ein Traum. So wird das Leben als Influencer zumindest in den sozialen Netzwerken dargestellt. Die Sonne ist immer am Scheinen, nie hat man schlechte Laune, das große Eis lässt sich verschlingen, ohne davon dick zu werden, und alle lieben einen.
In den sozialen Netzwerken hat jeder die Chance, andere am eigenen Leben teilhaben zu lassen. Das Gute daran ist: Man muss nur das zeigen, bei dem man sich wohlfühlt. Die schlechten Aspekte des Lebens lässt man einfach aus. Klingt gut, oder? Das Problem daran ist, dass gerade junge Menschen zwischen der Realität und der Scheinwelt nicht unterscheiden können. Sie nehmen wahr, dass das Leben der anderen perfekt ist und ärgern sich umso mehr über eigene Misserfolge.
Dein Kind wirkt zunehmend frustrierter und ärgert sich immens über Misserfolge?
Mache ihm bewusst, dass das, was in den sozialen Netzwerken passiert, nicht die echte Welt ist. Dass man immer nur einen Teil dessen sieht, was andere einen sehen lassen wollen. Die zwanzig Absagen diverser Buchverlage machen sich eben nicht so gut, wie die eine Zusage.
Immer mehr Influencer gehen dazu über, auch über negative Erfolge zu sprechen oder sich ungeschminkt zu zeigen, um Aufklärung zu betreiben. Aber seien wir mal ehrlich: Für viele ist Social Media die Flucht aus dem Alltag und wer möchte sich dort mit negativen Gedanken beschäftigen? Deshalb werden solche Beiträge niemals so viele Menschen erreichen, wie die positiven. Es kann trotzdem helfen, sich für das Gespräch genau solche Accounts raussuchen, um dem Kind zu zeigen, dass nicht nur bei ihm alles schlecht läuft.
Die Sucht nach Anerkennung
Während die einen am Leben der anderen teilhaben, werden andere selbst zu Künstlern. Sie posten Bilder aus ihrem Leben, Geschichten dazu und lassen die Welt teilhaben. Warum macht man das Ganze? Um dazuzugehören? Vielleicht.
Meine Protagonistin Maddy wird von ihrem Umfeld nicht richtig wahrgenommen. In der Schule läuft es schlecht, ihr Schwarm interessiert sich nicht für sie und sie kann den hohen Ansprüchen ihrer Großeltern nicht gerecht werden. Maddy fühlt sich wie eine Versagerin. Doch nicht auf der Plattform Instagram. Immer mehr rote Herzchen folgen, wenn sie einen Beitrag aus ihrem Leben teilt. Die Jagd nach der virtuellen Anerkennung hat begonnen. Ein Beitrag hat nicht so viele Likes, wie ein anderer? Maddy wird frustriert und bekommt immer höhere Ansprüche an ihren sogenannten Content. Immerhin will sie mehr Follower, mehr Likes, eine größere Reichweite und das alles nur, um Anerkennung von Menschen zu erhalten, die sie nicht einmal kennt.
Das Ziel von sozialen Netzwerken
Soziale Netzwerke sind darauf ausgelegt, dass wir immer mehr konsumieren wollen. Sie versuchen die Benutzer so lange wie möglich in der App zu halten, um mit Werbeanzeigen mehr Geld zu verdienen. Und mit der Veränderung verschiedener Algorithmen sorgen sie dafür, dass neben Erfolgserlebnissen auch genug Frust eingebaut wird, um sich selbst zu optimieren, sich neue Strategien einfallen zu lassen. Zugegeben, diese Algorithmen dienen eigentlich dazu, Firmen für Werbeanzeigen mehr Geld aus der Tasche zu holen, indem sie ohne bezahlte Anzeigen nicht mehr dieselbe Reichweite wie zuvor erzielen, aber auch auf unsere Jugendliche hat das einen Einfluss.
Erkenne die Leistung deines Kindes an
Den Druck die eigene Leistung immer und immer wieder zu übertreffen, wird mit dem Druck perfekt sein zu wollen, immer größer. Um dem vorzubeugen, sollte das Kind auch genug Anerkennung in der realen Welt erhalten. In diesem Artikel erfährst du, wie du das Selbstvertrauen deines Kindes stärkst.
Aber auch ein Blick hinter die Kulissen kann helfen, dass dein Kind versteht, dass es nicht selbst die Ursache der sinkenden Anerkennung ist. Ein falscher Postingzeitpunkt, reichweitenschwache Hashtags, aber auch die aktuellen Top-Themen sind wichtig für den Erfolg. Auch bei erfolgreichen Influencern sieht die Like-Kurve wie ein EKG-Bild aus und nicht wie ein steil aufsteigender Berggipfel. Die komplette Social Media Welt zu verstehen, ist richtig viel Arbeit, weshalb Social Media Manager in der Regel auch nicht schlecht Geld verdienen. Zeige deinem Kind, dass es ein ganzer Beruf ist, die Welt der sozialen Netzwerke so zu verstehen, dass man dauerhaften Erfolg hat. Wenn es jetzt schon so viel erreicht hat, ist das als hauptberufliche Schülerin oder Schüler eine ganz schöne Leistung.
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Kann Social Media auch eine Chance sein?
Damit kommen wir zum Thema, welche positive Seiten die sozialen Netzwerke haben. Diesmal kann ich nicht Maddy als Beispiel nehmen, um nicht das Ende des Buches zu verraten, aber ich kann aus meinen Erfahrungen mit jungen Buchbloggerinnen sprechen. Für ein Rezensionsexemplar bewerben sich richtig fitte 13-jährige, die ein Bewerbungsschreiben besser beherrschen, als so mancher Auszubildender bei der Bank. Sie verfassen nicht nur rechtschreibfehlerfreie Texte und besprechen Bücher wie ein Literaturkritiker, sondern sind kreativ in der Umsetzung von Bildideen, basteln Grafiken und beschäftigen sich mit den nötigen Strategien, um im Internet erfolgreich zu sein.
Bevor man sich während der Schule auf den ersten Praktikumsplatz bewirbt, wird man darüber aufgeklärt, dass Personaler auch die sozialen Netzwerke durchforsten, um einen Eindruck über zukünftige Mitarbeiter zu gewinnen. Dabei wird darauf hingewiesen, dass die letzten Partyfotos besser nur für Freunde sichtbar sind, was aber vergessen wird: Social Media kann auch einen guten Eindruck hinterlassen.
Ein guter Umgang mit den sozialen Netzwerken kann also auch Eindruck schinden. Vor allem bei der Generation, für die das Internet ein Rätsel ist.
Die Gemeinschaft Young Bookstagram ist ein Zusammenschluss von Buchbloggern unter 18 Jahren, die sich auch auf politischer Ebene engagiert. Sie haben sich zum Beispiel für genderfreie Büchertische bei den Thalia Buchhandlungen eingesetzt und Druck über die sozialen Medien ausgeübt. Mit Erfolg! Die Büchertische für Jungs und für Mädchen wurden abgeschafft und von nun an bestimmen keine Buchhändler mehr, dass Bücher über Ritter nicht von Mädchen gelesen werden dürfen oder Bücher mit Prinzessinnen von Jungs.
Wie du eine Social Media Sucht bei Jugendlichen erkennst
Social Media kann Fluch und Segen zugleich sein. Anbei habe ich ein paar Merkmale, anhand denen du erkennst, dass es deinem Kind durch die Nutzung sozialer Netzwerke nicht gut geht.
- Wenn das Handy deines Kindes nicht in greifbarer Nähe ist, ist es unruhig und reagiert gereizt
- Dein Kind verliert zunehmend das Interesse an seinen Hobbys und verbringt lieber Zeit am Handy
- Dein Kind belügt nicht nur dich, sondern auch sich selbst bezüglich seiner zeitlichen Nutzung der sozialen Netzwerke
- Das Kind verliert die Kontrolle darüber, wann Schluss ist mit den sozialen Netzwerken. In der handyfreien Zeit wird dennoch an die sozialen Netzwerke gedacht und jede freie Minute am Handy verbracht
- Schlafmangel ist eine weitere Begleiterscheinung bei einer Social Media Sucht. Wirkt dein Kind zunehmend erschöpft und unausgeschlafen? Das könnte das im Zusammenhang mit den anderen Merkmalen ebenfalls der Social Media Sucht zugeordnet werden
Nach oben führt auch ein Weg hinab
Wenn du mehr über den Druck der sozialen Medien erfahren willst, schau dir meinen Jugendroman Nach oben führt auch ein Weg hinab an. Begleite Maddy auf der Reise mit ihrem Grandpa und erlebe nicht nur die Welt der sozialen Medien, sondern auch den unterschiedlichen Umgang der Generationen mit ihnen.
Was du gegen Social Media Sucht bei Jugendlichen tun kannst
Versuche die Nutzung der sozialen Medien deines Kindes als Hobby zu betrachten. Interessiere dich dafür, was es dort tut, um herauszufinden, inwiefern Social Media Druck auf dein Kind ausübt und um zu sehen, wie du ihm am besten helfen kannst. Ist es der Leistungsdruck? Die Flucht aus dem Alltag, dem das Kind vielleicht entfliehen möchte? Fehlt ihm möglicherweise die Anerkennung durch jemanden aus dem näheren Umfeld, die es hofft, online zu finden? Wird es womöglich sogar gemobbt?
In diesem Artikel erfährst du, wie du mit deinem Kind bezüglich des Umgangs mit dem Handy umgehen kannst.
Jedes Kind ist anders und damit auch die Gründe, was die Faszination der sozialen Netzwerke ausmacht und damit auch die Frage, ob es eine Chance oder eine Gefahr für es darstellt.