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Wie die Lernatmosphäre die Motivation beeinflusst

Wie die Lernatmosphäre die Motivation beeinflusst

Die Zeiten haben sich geändert und auch vor der Schulhaustüre nicht Halt gemacht. Ja, der Lehrerberuf ist anspruchsvoller und herausfordernder geworden. Speziell die Primarstufe sieht sich zusehends mit komplexen Themen wie Heterogenität in der kognitiven und emotionalen Reife der Schülerinnen und Schüler (SuS), schwierigen Klassendynamiken und disziplinarischen Problemen konfrontiert. Diese Faktoren haben einen unmittelbaren Einfluss auf die Stimmung im Klassenzimmer.

Eine positive Stimmung ist jedoch eine elementare Voraussetzung für die Motivation und die Lernbereitschaft im Unterricht  – sowohl für die Lehrperson als auch für die SuS. Steht das Stimmungsbarometer durchgehend tief,  führt dies langfristig zu einer Einbusse des Lernpotentials.

Vernachlässigung der Motivation

Als langjähriger Coach von Lehrpersonen bin ich immer wieder erstaunt, wie wenig einer negativen Stimmung im Klassenzimmer Rechnung getragen wird. Zuerst noch als hinderlich wahrgenommen, scheint sie mit der Zeit zu einem unüberwindbaren, still vor sich dümpelnden Zustand zu verkommen, der halt einfach zum Unterrichtsalltag dazugehört und ein motiviertes Lehren und Lernen weitgehend verunmöglicht.

Das Ziel müsste jedoch sein, die Motivation und somit eine der elementaren Lernvoraussetzungen nachhaltig zu gewährleisten. Und dazu gehört eine gute Grundstimmung im Klassenzimmer.

Freudige Stimmung fördert freudiges Lernen

Der emotionale Zustand der SuS ist massgeblich für ein motiviertes Lernen: Ein trauriges oder wütendes Kind kann seine kognitiven Fähigkeiten deutlich schlechter abrufen als ein Kind in einer weitgehend unbelasteten Stimmung. Die Konsequenz ist ein Abbau der Motivation, verursacht durch die verhinderten Lernerfolge. Dem emotionalen Zustand der Kinder gilt deshalb grosse Aufmerksamkeit zu schenken.

Doch leider liegt hier genau der Haken: der Fokus im schulischen Alltag richtet sich noch zu oft auf den direkten Einstieg in das kognitive Lernen anstelle der Stimmungsaufnahme der SuS. Die Argumentation lautet meist „dafür geht zu viel wertvolle Lernzeit verloren“.

Die Erfahrung zeigt aber, dass diese Haltung genau das Gegenteil bewirkt: Zuviel wertvolle Lernzeit geht verloren, wenn die Stimmung von Kindern (und auch diejenige der Lehrperson) angespannt ist.

Es hat sich deshalb sehr bewährt, dass die SuS und die Lehrperson sich am Morgen zu einer Befindlichkeitsrunde treffen und ihren emotionalen Zustand –  inklusive Lehrperson –  mit Stimmungstalern preisgeben. (Erhalte Deine eigenen Stimmungstaler: siehe Gratis-Download.)

Die Lehrperson und die ganze Klasse erhalten damit einen Überblick der allgemeinen Stimmung. Und nicht nur das; es kann gemeinsam nach Optimierungslösungen gesucht werden, indem vorhandene Ressourcen unter den Kindern eingesetzt werden:  Das sich einsam fühlende Kind wird in Absprache mit den anderen Kindern an einen Platz gesetzt, wo es sich gut aufgehoben weiss. Für das wütende Mädchen wird ebenfalls gemeinsam nach einem Ausweg gesucht: eventuell äussert es das Bedürfnis, den Konflikt im Plenum zu lösen, einen Tipp von einem anderen Kind zu erhalten oder sich bis zur Pause an einen abgeschirmten Platz setzen zu können. Die Erfahrung hat gezeigt: diese kurze Übung vor Unterrichtsbeginn optimiert die Lernbedingungen für die ganze Klasse. Die Kinder lernen hier zudem,  Emotionen gegenseitig wahr- und ernst zu nehmen und eigene Handlungsstrategien zu entwickeln, um emotionelle Schwierigkeiten auch in anderen Situationen überwinden zu können.

„Wofür soll ich das lernen?“ – Wie das motivierte Lernen methodisch gefördert werden kann.

Motivation heisst kurz zusammengefasst, die Bestrebung ein Ziel zu verfolgen. Wenn ein Kind also motiviert für das Lernen sein soll, muss es einen nachvollziehbaren Sinn darin sehen. Eine sehr erfolgreiche Methode dafür ist das praktisch angewandte Wissen, eingebettet in einen narrativen Kontext.

In der Praxis sieht das zum Beispiel so aus:

Die Englischstunde in der zweiten Primarstufenklasse steht an. Die diesbezüglichen  Sprachkenntnisse in der Klasse gehen weit auseinander. Die Kinder erhalten aus dem Unterrichtsbuch die Aufgabe, sich in englischer Sprache gegenseitig vorzustellen. Nette Idee; bloss kennen sich die Kinder seit mind. 3 Jahren; entsprechend sinnlos ist diese Übung für die Kinder und gleichzeitig unbefriedigend für die Lehrperson.

Schüler motivieren

Zum Glück ist Timmy Tiger, die Handfigur da und weiss Abhilfe zu schaffen: Timmy Tiger hat seit neustem seine eigene TV Show, in welcher er prominente Gäste empfängt. Ein paar arrangierte Stühle und ein Rhythmusstab als Mikrophon reichen, um das Studio zu verkörpern.  Timmy, geführt und gesprochen von der Lehrperson, variiert je nach Sprachkenntnissen der Kinder den Schwierigkeitsgrad seiner Interviewfragen und lockt die etwas scheueren Kandidaten mit seiner feinen humorvollen Art aus der Reserve.

Die anfangs langweilige und weitgehend sinnbefreite Aufgabe erreicht durch dieses inszenierte Setting in Bezug auf die Motivation, Interaktion, angewandtes Lernen und individueller Förderung einen neuen Level – ohne grossen Aufwand!

Hallo Motivation, Tschüss Frustration!

Natürlich löst dieser Ansatz nicht alle Probleme auf einmal. Zudem bedarf es ein gewisses Mass an Zeit und Energie, um den Unterricht langfristig positiv zu verändern. Das darin enthaltene Potential, dass den Kindern und Lehrpersonen dadurch die Freude am Unterricht erhalten bleibt, ist jedoch gross. Und dies ist die beste Voraussetzung für einen nachhaltigen Aufbau von Motivation und Lernfreude im Klassenzimmer.

Quellenangaben

Bildquellen:
Eingangsbild mit Kindern: ©jovannig/123rf.com
Bild mit Timi Tiger: ©Karin Stierlin

Autorin: Karin Stierlin, www.teach-boxes.ch

Karin Stierlin

Karin Stierlin verfügt über langjährige berufliche Erfahrung in den Bereichen Kindergarten, Sexualpädagogik und wissenschaftlicher Mitarbeiterin an der pädagogischen Hochschule Zürich. Sie ist die Gründerin von teach-boxes (by Love Land), welche umfassende Ressourcen für Lehrpersonen und pädagogische Institutionen bietet. Ihre Firma Love Land GmbH entwickelt spielerische Apps im Bereich der Sexualerziehung, welche international skalierbar sind. www.teach-boxes.ch