Prävention bedeutet weit mehr als nur “informieren”
Prävention ist ein Begriff, welcher in allen Lebensfeldern präsent ist: Verkehrserziehung, Sexualpädagogik oder der Umgang mit Suchtmitteln sind nur ein paar wenige Beispiele. Die (Kurz)Definition von Prävention kann zusammengefasst werden in „Vorbeugende Massnahme um Schlimmes zu verhindern und negative Konsequenzen zu vermeiden“. Mit Massnahme ist optimalerweise Bildung gemeint. Diese beschränkt sich jedoch, speziell bei den Zielgruppen Kinder und Jugendliche leider oftmals auf die Vermittlung von gut gemeintem Wissen.
Prävention ist weit mehr als Wissensvermittlung und muss mit der altersgerechten Förderung von Lebenskompetenzen verbunden sein, wenn eine langfristige und effektive Verhinderung von negativen Konsequenzen das Ziel ist.
Wissen allein befähigt nicht zum Handeln
Lebenskompetenzen trainieren
Die Lebenskompetenzen beinhalten insbesondere kritisches Denken, Kommunikationsstrategien, Selbstbewusstsein und Handlungsfähigkeiten. Diese sind elementar um die Wissensinhalte zu verarbeiten, sie sowohl intellektuell als auch emotional nachzuvollziehen und daraus eine Einstellungsveränderung (oder besser Verhaltensänderung) zu entwickeln.
Prävention muss daher unbedingt, unabhängig von den verschiedenen inhaltlichen Risikofeldern, die Bildung von Wissen und Lebenskompetenzen beinhalten. Diese Bildung ist ein lebenslanger Prozess, der nicht erst dann beginnt, wenn ein junger Mensch sich aus seinem geschützten Umfeld löst und seine Umwelt als eigenständiges Individuum zu entdecken anfängt: Diese Bildung setzt sowohl in der frühkindlichen Erziehung als auch in der frühesten Bildungsstufe an.
Praktische Umsetzung im Bildungsbereich
Mit dieser Frage war und bin ich in meiner langjährigen Berufserfahrung als Sexualpädagogin, Kindergärtnerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der pädagogischen Hochschule immer wieder konfrontiert. Sowohl die Erfahrung als auch verschiedene wissenschaftliche Ansätze haben mich darin bestätigt: Prävention ist optimalerweise in den schulischen Alltag eingeflochten: Wissensvermittlung wird mit der altersgerechten Förderung von Lebenskompetenzen kombiniert – bereits auf Kindergartenstufe.
Diese Erkenntnis hatte mich seit meiner frühester Tätigkeit als Kindergärtnerin dazu bewogen, spielerische Lernwelten zu entwickeln, welche eine realitätsnahe, jedoch sichere und pädagogisch betreute Umgebung verkörpern, um den Kindern eine ganzheitliche Bildung zu ermöglichen. Im Gegensatz zu explizit dafür geschaffenen Lektionen, schlimmstenfalls reduziert auf das Ausfüllen von Arbeitsblättern, fördert diese Form ein umfassendes und täglich angewandtes Lernen und Üben.
Früh übt sich…
Bevor die Kinder zum Beispiel in unserer Lernwelt „Bauernhof“ die aus Holz gebaute Kuh (in Originalgrösse) melken konnten, fokussierten wir uns auf die Melktechnik, also die Wissensvermittlung. Gleichzeitig erarbeiteten wir die korrekte Verhaltensweise gegenüber einem solch grossen Tier, um eine negative Konsequenz in Form eines schmerzhaften Trittes der Kuh zu vermeiden. Beide erworbenen Kompetenzen wurden danach an der Holzkuh, später beim Bauern an einer richtigen Kuh getestet.
Präventionsstrategien ausschöpfen
Und genau diese Kompetenzen können in eine elementare, allgemeingültige Präventionsstrategie transferiert werden: Das Erkennen und Überwinden von Risikosituationen erfordert Wissen, kritisches Denken und Handlungskompetenzen, um sich vor negativen Konsequenzen zu schützen:
Ein Jugendlicher, welcher beispielsweise ein umfassendes Wissen über HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten verfügt, im Sexualunterricht gelernt hat ein Kondom korrekt abzurollen und informiert darüber ist, dass externe Faktoren wie Alkohol oder Drogen das Risikoverhalten steigern können, ist deswegen noch lange nicht vor einem Fehlverhalten geschützt. Gerät dieser Jugendliche bei einem One Night Stand in die Situation, dass das Gegenüber sich über die Safer Sex Regeln hinwegsetzen will, helfen ihm sein Wissen über ein perfekt abgerolltes Kondom und die möglichen Konsequenzen eines ungeschützten Geschlechtsverkehrs wenig.
Verfügt er nicht über die notwendigen Kompetenzen wie Selbstbewusstsein, kritisches Denken, Kommunikations- und Handlungsstrategien, um dieses Wissen der Situation entsprechend anzuwenden, ist er ziemlich sicher nicht in der Lage die Situation adäquat zu meistern.
Es wäre wünschenswert, dass Prävention weniger kognitiv vermittelt, sondern mit dem Training von Handlungskompetenzen kombiniert würde.
Quellenangaben
Links: Martin Hafen: Better Together – Prävention durch frühe Förderung
Das letzte grosse Projekt safebodyland – ein modulares Programm für die Prävention von sexuellem Missbrauch – wurde unter der dem Dach der taboobreaker association in Zusammenarbeit mit international anerkannten Experten entwickelt und erfolgreich an Schweizer Schulen mittels einer Pilotstudie getestet.
Autorin: Karin Stierlin, www.teach-boxes.ch